Forschung über Hochsensibilität und Hochbegabung

Hochsensibilität und Hochbegabung: Neues aus der Forschung

29. Juni 2024
Birgit Heining

Hochsensibilität und Hochbegabung sind zwei faszinierende Eigenschaften, die einige Ähnlichkeit haben. Eine neue Studie beleuchtet die Beziehung zwischen diesen beiden Phänomenen und zeigt überraschende Ergebnisse.

Die Studie von Professor De Gucht

Im Dezember 2023 wurde eine neue Studie zum Verhältnis von Hochbegabung und Hochsensibilität veröffentlicht. Bisher gab es zwar Hinweise darauf, dass Menschen mit einem hohen Intelligenzquotienten ebenfalls eine höhere Sensibilität im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aufweisen, aber die genaue Beziehung zwischen den Eigenschaften von Hochsensibilität und Hochbegabung war noch nicht geklärt.

Eigenschaften hochbegabter Menschen

Von hochbegabten Menschen wissen wir, dass sie besondere abstrakte Denkfähigkeiten besitzen, komplexe Probleme schneller lösen können und in einer Situation mehr wahrnehmen und mehr Informationen verarbeiten können als andere Menschen. Hochsensible erleben ebenfalls ihre Wahrnehmungen intensiver und verfügen über eine größere Verarbeitungstiefe. So liegt nahe, zu vermuten, dass beide Gruppen mehr gemeinsame Eigenschaften haben könnten.

Professor Véronique De Gucht und ihr Team verglichen 636 Menschen mit einem IQ von mindestens 130 mit einer großen Stichprobe der Gesamtbevölkerung von 10.291 Teilnehmern. Alle wurden mit dem SPSQ-Fragebogen auf Hochsensibilität getestet. Dieser Test prüft verschiedene Eigenschaften von Sensibilität, nämlich Wahrnehmungsfähigkeit in sozialen Zusammenhängen, ästhetische Sensibilität, Empfindsamkeit für feine innere und äußere Reize und sensorisches Wohlbefinden, sowie die Stärke der Reaktion auf emotionale oder körperliche Reize und sensorisches Unbehagen (zum Beispiel die Abneigung gegen laute Geräusche, helles Licht oder unangenehme Gerüche).

Alle Versuchspersonen wurden auch noch auf die Persönlichkeitseigenschaften Offenheit und Neurotizität (also wie nervös, reizbar oder unsicher sie sind) getestet.

Die Besonderheiten der Hochbegabten

Die hochintelligenten Studienteilnehmer erwiesen sich tatsächlich in einiger Hinsicht als sensibler als die Allgemeinbevölkerung. Sie nehmen Kunst und Schönheit stärker wahr, spüren in sozialen Zusammenhängen mehr und erleben mehr sinnliches Wohlbefinden. Interessanterweise haben sie aber niedrigere Werte, was die schwierigen Aspekte der Hochsensibilität angeht. Sie reagieren weniger stark auf emotionale oder körperliche Reize und haben weniger Probleme mit sensorischen Unbehagen.

Was können hochsensible Menschen von Hochbegabten lernen?

Die Fähigkeiten, die hochbegabte Menschen durch ihre hohe Intelligenz leichter mit den Schwierigkeiten ihrer Sensibilität umgehen lassen, können andere hochsensible Menschen trainieren. Dazu sind sie sogar besonders gut befähigt, denn in anderen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde bereits herausgefunden, dass hochsensible Menschen besonders gut auf Methoden zur persönlichen Weiterentwicklung ansprechen.

Praktische Tipps zur Stressbewältigung

Bei der Erforschung der Problemlösestrategien von hochbegabten Menschen ist aufgefallen, dass es ihnen häufig gelingt, sich von Problemen nicht emotional überwältigt zu fühlen. Sie schaffen das, indem sie Schwierigkeiten in kleine, handhabbare Teile zerlegen ihre Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.

Wirksame Strategien zur Stressbewältigung:

  • Probleme in kleine, handhabbare Teile zerlegen
  • Perspektivwechsel üben
  • Selbstreflexionstechniken wie Tagebuchschreiben und Achtsamkeitsmeditation

Selbstreflexion und persönliche Weiterentwicklung

Von hochbegabten Menschen ist bekannt, dass sie ihr eigenes Handeln und Denken oft hinterfragen und ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensmuster genauer zu erforschen.

Hochsensible Menschen verfügen oft über eine gute emotionale Wahrnehmung und diese Stärke lässt sich nutzen, um sich selbst besser kennen zu lernen. Manchmal benötigen sie dazu nur die geeignete Gelegenheit. Selbstreflexionstechniken wie das Führen eines Tagebuchs oder die Nutzung von Achtsamkeitsmeditation können da wertvolle Hilfe geben.

„Da ist …“-Meditation

Wenn dich das Thema interessiert, kannst du zum Beispiel die „Da ist …“-Meditation ausprobieren. Setze dich einfach an einen ungestörten Platz, schließe die Augen und atme ruhig und gleichmäßig. Lenke deine Aufmerksamkeit auf dich selbst. Jedes Mal, wenn du etwas fühlst, kannst du dieses Gefühl benennen, zum Beispiel: „Da ist Ärger“, oder „da ist Freude“. Du lernst damit, deine eigenen Gefühle zu beobachten, ohne etwas mit ihnen tun zu müssen. Damit erreichst du mehr inneren Abstand und eine bessere Wahrnehmung von dem, was sich sonst unbewusst in dir ereignet.

Was du mitnehmen kannst

Die Studie von Professor De Gucht zeigt, dass es zwischen Hochbegabung und Hochsensibilität Berührungspunkte gibt und dass viele hochbegabte Menschen von ihrer Sensibilität profitieren. Doch auch alle anderen hochsensiblen Menschen können lernen, die Strategien der Hochbegabten für sich zu nutzen und für ihr persönliches Wachstum zu verwenden.

Strategien zur Stressbewältigung und Selbstreflexion schärfen die emotionale Wahrnehmung und erleichtern, mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen. Nutze deine Wahrnehmung, um deine Umgebung intensiver zu erleben und deine Gefühle bewusster zu steuern.

Ausführlichere Informationen zu Hochsensibilität findest du natürlich auch in „Hochsensibilität und psychische Gesundheit – Praxisbuch“.

 

Was meinst du dazu?

Welche Erfahrungen hast du denn mit dem Thema gemacht? Gehörst du zur Gruppe der Hochbegabten und wie ordnest du dich ein in Bezug auf deine Sensibilität? Erlebst du dich nicht als hochbegabt, aber als besonders sensibel und beeinflussbar von bestimmten Umwelteindrücken? Hast du schon eine oder mehrere der genannten Strategien ausprobiert und wie ist es dir damit ergangen?

Ich freue mich, wenn du uns darüber im Kommentarbereich schreibst!

Herzliche Grüße
Birgit

1 Kommentar

  1. Vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel!
    Diesen Zusammenhang habe ich noch nie bedacht. Ich selbst gelte ärztlicherseits als hochsensibel, aber nicht als hochbegabt. Meine Tochter jedoch ist hochbegabt (Musikerin) und ich vermisse oft etwas Sensibilität bei Ihr. Unser Mutter-Tochter-Kontakt ist sehr oberflächlich und etwas kompliziert – zum Teil aber auch den unterschiedlichen Wohnorten über Ländergrenzen hinweg geschuldet.
    Aber der Hinweis, dass hochbegabte Menschen besser mit Stress umgehen können und ihre emotionalen Wahrnehmungen effizienter steuern können, den Gedanken hatte ich in dieser Klarheit noch nicht.
    Und je mehr ich jetzt darüber nachdenke, wie sie mit ihrem prall gefüllten Terminkalender (beruflich und familär) umgeht, und für sich Wichtiges und Unwichtiges einteilt…desto mehr sehe ich sie mit anderen Augen…Eigentlich kann ich von Ihr lernen 🙂

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